Was verbirgt sich hinter dem komplexen System der Chakras?
Chakras, dt. Waldgärten, sind kleine Flächen im Amazonasgebiet, auf denen Kichwa- Familien traditionellerweise Produkte wie Maniok, Bananen, Bohnen, Erdnüsse, Mais uvm. für die Selbstversorgung der Familie anbauen. Die Chakras sind Orte von hohem kulturellem Wert für die indigenen Völker des Amazonas. Die ganze Familie kümmert sich um ihre jeweilige Chakra und führt sämtliche Arbeiten zur Erhaltung dieser Gärten aus.
Dabei werden Kenntnisse der Vorfahren, die über Generationen weitergegeben werden und im Hinblick auf die Produktion, Pflege und Vermehrung der Pflanzen, angewendet und respektiert. Der Ort, an dem eine Chakra errichtet werden soll, wird meistens von Frauen ausgewählt. Diese kennen sich mit jeder Entwicklungsstufe aus, d.h. welche Pflege die Chakras nach der Aussaat, während des Wachstums, der Ernte und der Brache, brauchen. Außerdem wissen sie genau, welche Pflanzenarten dem Schutz des Regenwaldes dienen und welche die Familien und Tiere zur Ernährung benötigen.
Die Chakras sind zudem ein wichtiger Ort, um das Wissen der Vorfahren an zukünftige Generationen weiterzugeben, damit die traditionellen Anbauweisen und Pflanzenarten beibehalten werden. Dies wird meistens von den Frauen übernommen. Dadurch konnte sich über viele Jahrhunderte eine nachhaltige Lebensweise etablieren, wodurch die natürlichen Ressourcen und die Artenvielfalt erhalten bleiben und negative Einflüsse auf die Umwelt vermieden werden.
Wie werden traditionelle Chakras errichtet?

Die traditionellen Chakras der Kichwa sind kleine Flächen von bis zu einem Viertel Hektar. Um eine Chakra zu errichten wird eine Fläche des Regenwalds etwas gelichtet, um dort zusätzliche Nutzpflanzen einzubringen. Dabei wird die Fläche jedoch nicht gerodet und auch nicht komplett abgeholzt.
Nach zwei bis drei Jahren wird das Land brachgelegt, weshalb eine neue Chakra auf einer anderen Fläche errichtet wird. Hierzu werden oft Flächen ausgewählt, die bereits früher bepflanzt wurden und mindestens zwei Jahre brach lagen. Diese haben oft viel Humus und Stecklinge, an denen Bohnen beispielsweise gut wachsen können. Stellen an denen alte Kakaobäume wachsen, sind ein idealer Ort um eine Chakra zu errichten.
Bevor die Aussaat begonnen wird, müssen die Saatzeiten berücksichtigt werden. So werden zunächst Bohnen, Erdnüsse, Mais und Maniok gepflanzt. Später kommen Bananen, Kochbananen, Chili, Kartoffeln und andere Pflanzen hinzu. Die Pflanze, die hauptsächlich in den Chakras angebaut wird, ist Maniok.
An den Rändern der Fläche werden Bananenstauden, Zitrusbäume und andere dort heimische Bäume, wie die Guaba- oder Chonta- Frucht angepflanzt. Nach der ersten Ernte wird erneut Maniok gepflanzt und so die Chakra für gesamt zwei bis drei Jahre genutzt. Dann beginnt die Brache und das Stück Land, der Boden sowie Flora und Fauna kann sich erholen. Fünfzig Prozent der Ernte aus der Chakra dienen der familiären Selbstversorgung, während die anderen fünfzig Prozent für wilde Tiere bestimmt sind, um diese anzulocken und jagen zu können.
Wie die Kichwas im Einklang zwischen der Selbstversorgung (Subsistenz) und dem Anbau für kommerzielle Zwecke leben.
Über die Jahre hinweg mussten die Kichwas sich an veränderte Lebensbedingungen anpassen, was sich auch auf die Wahl der Pflanzen, die in den Chakras angebaut werden, ausgewirkt hat. Dadurch werden heute sowohl Pflanzen für die Selbstversorgung, als auch für kommerzielle Zwecke angebaut.
Das Einkommen aus den verkauften Produkten und Pflanzen dient den Familien dazu, ihre Kosten für die Schulausbildung der Kinder sowie für ihre Gesundheitsversorgung zu finanzieren.

Für kommerzielle Zwecke sind Kakao und Guayusa die am häufigsten angebauten Pflanzen. Eine Chakra wird dabei immer nach demselben Prinzip aufgebaut. Zuerst werden Pflanzen wie z.B. Maniok angebaut, die schnell geerntet werden können. Dann erst werden die Hauptpflanzen, wie Kakao- und Guayusabäume gepflanzt. Außerdem werden zusätzlich eine Vielzahl von Bäumen und Pflanzen verschiedenster Arten für die Produktion von Nutzholz, Früchte, Lebensmittel oder auch für medizinische und dekorative Zwecke angebaut.
Das bedeutet, dass selbst Chakras in denen Kakao und Guayusa zu kommerziellen Zwecken angepflanzt werden, eine hohe Artenvielfalt aufweisen. Auf einem Hektar Land, der als Chakra genutzt wird, gibt es bis zu 80 verschiedene Pflanzenarten. Die Pflege der Kakao- und Guayusa- Pflanzen geschieht manuell mit kleinen Geräten, da der Einsatz von Maschinen in der Mischkultur nicht möglich wäre und auch den Boden negativ beeinflussen konnte. In den Gemeinschaften, die Kakao und Guayusa für die Kallari Kooperative anbauen, kümmern sich hauptsächlich die Frauen um die Pflanzen. Sie werden aber auch von den Männern und der ganzen Familie unterstützt. Jeden Tag müssen die Pflanzen umsorgt werden.
An Tagen mit Neumond werden sie besonders geschont, da dann die Wahrscheinlichkeit, dass eine bei der Pflege verletzte Pflanze Pilze oder andere Krankheiten an den Wurzeln oder Stämmen bekommt, viel größer ist. Außerdem werden keine Pestizide eingesetzt, um die Umwelt zu schonen und die Qualität der Produkte zu sichern. Die Vielfalt der Pflanzen in den Chakras und das traditionelle Management ermöglicht es, Plagen und Krankheiten zu kontrollieren, Produkte von erstklassiger Qualität für die Familien und den Verkauf zu ernten und gleichzeitig das Ökosystem aufrechtzuerhalten.
Die Vorteile des Anbaus von Kakao und Guayusa in Chakras
Die in den Chakras angebauten Nutzholzbäume und Obstbäume spenden zeitweise oder andauernd Schatten und versorgen den Boden mit wichtigen Nährstoffen. Der dauerhafte Schatten schützt den Boden und die Pflanzen, in diesem Fall Kakao und Guayusa, auch vor direkter Sonneneinstrahlung.
Die Kakaopflanzen werden somit außerdem vor Plagen und Krankheiten geschützt. Ein weiterer Vorteil der Bäume ist, dass diese den Boden vor Unkraut schützen und dadurch die Instandhaltungskosten der Kakaopflanzen in Chakras reduziert werden. Zudem stabilisieren die Blätter der Bäume das Klima innerhalb der Chakras und dienen dazu, Humus zu bilden. Erst durch die Mischkultur entstehen die herausragende Qualität und die besonderen Aromen des Edelkakaos.