Aufgewachsen in einer traditionellen indigenen Familie im Amazonastiefland von Ecuador
Als zweitälteste Tochter von sieben Geschwistern hatte Raquel schon als Kind das Glück und die Aufgabe in der familiären Umgebung der „Chakras“, den sogenannten Waldgärten, mitzuarbeiten.
So lernte sie von klein auf die spirituellen Geheimnisse und Traditionen, aber auch die Schwierigkeiten der täglichen Arbeit und die Probleme kennen wie aus der nachhaltigen Subsistenzlandwirtschaft genügend Geld, alleine schon für die Schulkosten der sieben Kinder, erwirtschaftet werden kann.


Schon in ihrer Jugend engagierte sie sich neben der Schule in der Kichwa-Gemeinde und gründete u.a. eine Jugendgruppe, um die traditionellen Tänze und die Kultur ihres Volkes wieder zu entdecken und aufzuwerten.
Zusätzlich nutzte Raquel schon sehr früh die Mitarbeit in internationalen Forschungs- und Bildungsprogrammen im Bereich Naturschutz und nachhaltige Entwicklung, um viel Wissen zu sammeln und ihre Erfahrungen zu teilen.
Kurz nach ihrem Abitur arbeitete sie als Promotorin in einem Projekt mit der GTZ (deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) zum Thema Management eines Nationalparks und Biosphärenreservats in ihrer Heimatregion mit dem Schwerpunkt Agroforst und alternative Einkommensquellen und kam so in Kontakt mit Deutschland.
Sie setzte sich insbesondere dafür ein, die indigenen Traditionen und Kenntnisse im Umgang mit den natürlichen Ressourcen aufzuwerten und das Selbstwertgefühl der indigenen Gemeinden zu stärken.
Eine Kopie der intensiven Landwirtschaft mit Monokulturen und der optimierten Flächenleistung, wie sie in Deutschland hauptsächlich praktiziert wird, konnte keine Lösung für die Menschen im Amazonasgebiet darstellen. Sie erkannte, dass sie Möglichkeiten suchen musste damit, die Indigenen Gemeinden im Einklang mit der Natur und ihren Traditionen ausreichend Einkommen für ein selbstbestimmtes Leben mit Bildung und Gesundheitsversorgung erzielen können.


Direkt vom Amazonas nach Deutschland und Zurück
Mit dieser Motivation ging Raquel 1998 nach Deutschland, um Forstwirtschaft zu studieren. Nachdem sie sich durch alle Hindernisse durchgekämpft hatte konnte sie 2005 ihr Studium erfolgreich beenden und sogar eine neue Familie gründen.
Danach ging sie nach Peru, um in einem Waldbewirtschaftungsprojekt im peruanischen Amazonasgebiet mit dem DED (deutscher Entwicklungsdienst) zu arbeiten. Ihr Traum war es, nach Beendigung des Projekts direkt nach Ecuador in ihre alte Heimat zu gehen und dort als Forstwirtin zu arbeiten. Doch ihre mittlerweile größer gewordene Familie wollte zurück nach Deutschland. Die Entscheidung fiel Ihr schwer, aber letztlich kehrte sie zurück nach Deutschland.
Wieder in Deutschland
Wieder in Deutschland war ihr klar, dass sie die Nähe zur Natur und die, den Wurzeln ihres indigen Volkes, den Kichwas in Ecuador und dem Amazonasgebiet nicht aufgeben, sondern stärken und damit arbeiten will. In ihr wuchs die Idee, die indigenen Gemeinden mit der Vermarktung von weiterverarbeiteten Produkten aus den „Chakras“, den Waldgärten im Amazonasgebiet, in Deutschland zu unterstützen. Meistens wird nur der Rohstoff wie z.B. die Kakaobohne, über Zwischenhändler nach Europa importiert und erst hier von europäischen Unternehmen zu Schokolade weiterverarbeitet.
Doch nur wenn ein möglichst großer Teil der Wertschöpfungskette der Endprodukte bei den indigenen Bauern und ihren Kooperativen oder Genossenschaften bleibt, kann ein nachhaltiger Mehrwert für die Erzeuger*innen und ihre Familien im Amazonasgebiet erwirtschaftet werden. Um die marktwirtschaftlichen Abläufe, die unternehmerischen Prinzipien und das notwendige Marketing zu verstehen, absolviert sie 2011 erfolgreich das Masterstudium „Internationales Management“.

Von der Masterarbeit zur Vermarktung der Schokolade von Kallari und des Guayusa Tees – Theorie und Praxis

Raquel plant im Rahmen des Studiums ganz konkret die Vermarktung der Schokolade in Deutschland aufzubauen, die von der Kleinbauernkooperative Kallari hergestellt wird. Die Kooperative Kallari kennt sie bereits seit ihrer Gründung 1997 in ihrer Heimatgemeinde in Ecuador. Auch ein Teil ihrer Familie sind Mitglieder und liefert ihren Kakao in die Kooperative. Im Jahr 2005 beginnt die Kooperative Kallari mit der Herstellung ihrer eigenen Schokolade mit den Marken Kallari und Sacha.
Das Einzigartige daran ist, dass es in der Welt nur wenige Kleinbauerngenossenschaften gibt, die nicht nur den Rohstoff Kakao exportieren, sondern selbst ihre eigenen Produkte bis zur fertigen Schokoladentafel weiterverarbeiten. Raquel war von der Idee begeistert, die Kooperative durch die Vermarktung der Schokolade aus Ecuador hier in Deutschland zu unterstützen.
Der Verkauf dieser Schokolade in Deutschland ist jedoch nicht das einzige Projekt, welches sich Raquel während ihres Studiums für die Zukunft vornimmt. Ein weiteres Projekt ist die Vermarktung des Guayusa Tees, ein Produkt, das zu diesem Zeitpunkt in Europa noch nicht bekannt ist. Raquel dagegen ist mit diesem Tee als wichtiger Bestandteil der spirituellen Traditionen sowie dem Alltagsleben aufgewachsen und genießt ihn noch heute jeden Tag, um wach zu werden und konzentriert zu bleiben. Sowohl der Kakao als auch der Guayusa Tee sind Pflanzen, die aus den sogenannten „Chakras“, den Waldgärten des Amazonas kommen. Sie wachsen dort natürlicherweise, werden nicht mit Pestiziden behandelt, und tragen somit zum Erhalt der Natur bei.

Nach erfolgreicher Marktanalyse der Schokolade und dem Guayusa Tee auf mehreren Märkten in Tübingen, Stuttgart und Umgebung im Rahmen ihrer Masterarbeit, gründet Raquel im Jahr 2012 mithilfe von Freunden die Firma „Kallari Futuro GmbH“.
Die Kallari Futuro GmbH
Raquel wählt für den Firmennamen das Wort „Kallari“. Es soll die direkte Verbindung zur Kleinbauernkooperative Kallari ohne weitere Zwischenhändler zeigen. Das Wort „Kallari stammt aus der Sprache der Kichwas und bedeutet „es war einmal“ aber auch „Anfang“. Die Wahl des Namens „Kallari“ verdeutlicht, dass die Rohstoffe, einst gewonnen aus den heimischen Pflanzen und die dann daraus entstandenen Produkte, einen Neubeginn für die lokale Bevölkerung darstellen, aber auch die Zukunft des Regenwaldes langfristig beeinflussen. Doch erst die direkte zukünftige (futuro) Vermarktung schließt die komplette Wertschöpfung eines nachhaltigen Produkts aus den traditionellen „Chakras“ der indigenen Kleinbauern im Amazonastiefland Ecuadors ab. Die Kallari Futuro GmbH steht somit für fairen und nachhaltigen Handel.
Guayusa ist ein Novel Food?
Mit der Einführung des Guayusa Tees stand Raquel jedoch vor einer großen Herausforderung. Guayusa durfte zwar in die EU eingeführt, aber nicht als Lebensmittel verkauft werden, denn Guayusa galt zu Beginn der Firmengründung als Novel Food.
Guayusa darf 2012 zwar als Mate Tee importiert und als solcher verkauft werden, Raquel möchte jedoch den Guayusa Tee den Europäern unter seinem richtigen Namen vorstellen. Außerdem ist die Bezeichnung „Guayusa“ oder „Wayusa“ wichtig für Raquel, da sie somit die kulturelle Verbindung zu den Kichwa in Ecuador, für welche die Pflanze fester Bestandteil der Morgenrituale ist, aufrecht erhält.

Es folgen mehrere Jahre in denen Raquel sich für die Genehmigung des Guayusa Tees einsetzt und viel Zeit und Geld in die Recherche und Analyse für die Beantragung der Genehmigung investiert. Anfang 2016 reist sie nach Ecuador, wo sie den Zusammenschluss mehrerer Kooperativen und Firmen bewirkt und dadurch Hilfe im Prozess der Genehmigung von der Universität „Universidad Ikiam“ aus dem Amazonasgebiet Ecuadors erlangt. Es dauert bis zum Ende des Jahres 2017, als Guayusa schließlich von der EU-Kommission als Lebensmittel anerkannt und die Vermarktung freigeben wird.

Vanille und weitere traditionelle Produkte aus den Chakras der Amazonia
In den „Chakras“, den Waldgärten der indigenen Familien im Amazonastiefland, wächst eine große Zahl verschiedener Nutz- und Heilpflanzen, die sich gegenseitig ergänzen und für eine gesunde Ernte ganz ohne chemische Pflanzenschutzmittel sorgen. So bekommt z.B. der Kakao seine besondere Qualität und Aroma erst durch die räumliche Nähe zu vielen verschiedenen Fruchtbäumen. Raquel hat sich und der Kallari Futuro GmbH zum Ziel gesetzt acht weitere herausragende Produkte aus den „Chakras“ zu kreieren und dadurch eine Vermarktungsmöglichkeit in Deutschland zu verschaffen. So konnte mittlerweile der Verkauf der Vanille im Webshop von Kallari-Futuro, als weitere Pflanze der „Chakras“ gestartet werden.
Politische Bildung und Bewusstseinsbildung in Deutschland und in Ecuador
Trotz Familie mit drei Kindern und der Geschäftsführung von Kallari Futuro GmbH engagiert sich Raquel seit einigen Jahren verstärkt in der politischen Bildung in Deutschland. Dadurch will sie auf das Leben, die Kultur und die Probleme der Bevölkerung im Amazonas aufmerksam machen, aber auch eine Verbindung zwischen den Kulturen mit Verständnis und Wertschätzung schaffen. Sie will damit außerdem Mut machen und zeigen, dass auch eine einzelne Frau, aufgewachsen in einer Kichwa-Shuar Familie im Amazonastiefland Ecuadors, einen kleinen Beitrag für ein gerechteres Miteinander, ein nachhaltigeres Wirtschaften und einen faireren Handel leisten kann.

Doch auch in Ecuador ist Raquel bei häufigen Besuchen engagiert, um beispielsweise der Kooperative Kallari, Verständnis für die Dynamik und Anforderungen eines Markts in Deutschland zu schaffen und sie in der Verbesserung der Abläufe und Strukturen zu beraten.